Erst Burg, dann Schloss

Burg Haggenberg

Eine stete Transformation

Schloss Haggenberg blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, deren Ursprung im 13. Jahrhundert liegt.

Heinrich von Hackenberg errichtet, nachdem er Herzog Leopold VI. 1217 als Marschall im Kreuzzug gegen das Heilige Land begleitet hatte, zu jener Zeit seine Burg. Die „Schwarze Armee“ des ungarischen Königs Mathias Corvinus jedoch verwüstet sie. Ihre Grundmauern werden Ende des 15. Jahrhunderts von den Patriziern Georg und Michael Behaim aus Nürnberg mit dem bis heute bestehenden geometrischen Renaissance-Baukörper wiederaufgebaut. Aber bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts kommt es zu neuerlichen Plünderungen durch Anhänger des siebenbürgischen Fürsten und kurzzeitigen ungarischen Gegenkönigs Bethlen Gábor und schließlich kauft Sigmund Friedrich Graf von Sinzendorf von der Ernstbrunner Linie 1650 die Herrschaft Hagenberg mitsamt dem heruntergekommenen Schloss.

Burg Haggenberg

1663 befestigen die niederösterreichischen Stände Schloss Haggenberg als Fluchtort vor den Türken mit jenem Wassergraben und den vier Eckbastionen, die bis heute das Ensemble prägen.


Ab den 1670ern erfolgt die prachtvolle Barock-Ausgestaltung unter Reichsgraf Theodor von Sinzendorf, der den desolaten Renaissancebau von seinem Onkel Friedrich geerbt hatte. Fast dreißig Jahre lang wird der Besitz nun zu einer der einheitlichsten Schlossanlagen des Weinviertels ausgebaut. Die Blütezeit des Schlosses beginnt...

Haggenberg alte Karte
Schloss Haggenberg altes Foto

Bis heute besteht das Gebäude aus einer Abfolge von Räumen, die, mit prachtvollen Fresken und Stuckdecken ausgestattet, einem einheitlichen kosmologischen Prinzip untergeordnet sind, das sich auf die antiken Mythen zurückführen lässt. Zentralfigur bildet dabei die Liebesgöttin Aphrodite, lateinische Venus – „die größte Kraft des Universums“ – der das Schloss auch geweiht ist. Die gesamte Talsohle wird in die Barockanlage miteinbezogen: Um den Wassergraben, der das Schloss als Insel umgibt, wird ein geometrischer Barockgarten angelegt, von dem Alleen ausgehen, sowie ein Kanal zu einem aufgestauten See, auf dem über hundert Jahre lang Gondolieri aus Venedig die hohen Gäste zu einem Pavillon aus Muranoglas rudern. Bis 1766 sind im Pfarrarchiv drei venezianische Familien nachzuweisen.

Nach dieser Hoch-Zeit verfällt das Gebäude lange in einen Dornröschenschlaf. Mit dem Tod von Prosper Anton Joseph von Sinzendorf 1822 geht die Herrschaft Haggenberg gemeinsam mit dessen Stammschloss Ernstbrunn in Ermangelung männlicher Nachkommen an Reichsfürst Heinrich IV. von Reuß-Köstritz aus Thüringen. Der Familiensitz wird nun endgültig nach Ernstbrunn verlegt. Schloss Haggenberg und der umliegende Grund wird lediglich landwirtschaftlich genutzt und verfällt zusehends. Der See wird ausgelassen, die Alleebäume entfernt, die Barockgärten als Obstplantagen verwendet, das leerstehende Schloss in den beiden napoleonischen Kriegen (1800–1814) stark beschädigt.


Während des Zweiten Weltkrieges dient das Schloss nun zur Unterbringung ca. 30 belgischer Kriegsgefangener. Inschriften im Gemäuer lassen rückschließen, dass sie sich hier heimisch fühlten. Zu Kriegsende wird der Besitz als „Deutsches Eigentum“ unter sowjetische Verwaltung gestellt, 1955 gelangt das Schloss mit dem Österreichischen Staatsvertrag wieder in den Besitz des Fürsten Reuss, der jedoch 1959 den Gutsbetrieb einstellt und die umliegenden herrschaftlichen Äcker veräußert.

Conrad Bayer

Mit dem sukzessiven Verkauf ziehen ab 1959 Künstler der „Wiener Gruppe“ um H.C. Artmann und Konrad Bayer, wie die Avantgardisten Friedensreich Hundertwasser und Padhi Frieberger, in das leerstehende Schloss. Künstler und Intellektuelle verschiedenster Herkunft und unterschiedlichster Genres beleben das Schloss und sein Umfeld vor allem im Sommer über fünfzehn Jahre lang. Für sie eröffnet dieser „vergessene“ Ort, der über zweihundert Jahre lang als Getreidespeicher, Lagerhalle und Wohnung für die Gutsarbeiter gedient hat, die Möglichkeit eines Lebens abseits der Bürgerlichkeit.

Konrad Bayer, die zentrale Figur der Wiener Gruppe, ist der Genius Loci – der Geist des Ortes – der Wurzeln schlägt und sich hier verewigt. Seine Texte enthalten eine Unzahl von Bezügen zum Dorf und natürlich besonders zum Schloss mit seinen Innen- und Außenräumen.


„(…) dieses haus ist unser schiff, dieses schiff ist der gipfel der welt, immer oben, der dachboden mit seinen wäscheleinen ist die kommandobrücke und das grosse loch im dach ist der ausguck und die bunten handtücher sind unsere wimpel.“


„(…) nina kommt doch, schrieb er, aber dann warf er den brief wieder in den papierkorb in seinem zimmer im zweiten stock neben dem grossen saal wo früher die schlosskapelle gewesen war bevor man einen getreidespeicher daraus gemacht hatte ehe kremser sich hier eingenistet hatte unten neben dem weinkeller.“


Aus „der sechste sinn“ von Konrad Bayer

Konrad Bayer
Karte

Der enge Freund und Vertraute Friedensreich Hundwassers, Künstler und gebürtiger Niederösterreicher Padhi Frieberger (1931-2016), bewohnt Schloss Haggenberg über den längsten Zeitraum – von 1959 bis 1974 – dauerhaft. Seine Handschrift lässt sich bis heute im Schloss entdecken.

1974 kauft Hauptmann Josef Steiger das Gebäude, 1986 wird es von Horst Wächter, dem ehemaligen Assistenten Hundertwassers, erworben. 2020 übernimmt die Familie Osmann das Schloss, der Vorbesitzer Horst Wächter bleibt im Haus und widmet sich weiterhin der kunsthistorischen Forschung vor Ort sowie der Aufarbeitung der Geschichte seines Vaters Otto Wächter.

Schloss Haggenberg
Altes Foto

Das Unternehmerpaar Marion und Michael Osmann, seit 25 Jahren auf die respektvolle, nachhaltige Arbeit mit historischer Bausubstanz spezialisiert, lebt nun selbst im Schloss und hat sich mit dem Credo „Zu Gast in Schloss Haggenberg“ zum Ziel gesetzt, den authentischen, unberührten Bestand des Hauses fortan als einen Ort der Begegnung mit Gleichgesinnten zu teilen.


SANCTUM Haggenberg

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